„Herzlich willkommen auf dem Rigi unserer allernächsten Umgebung, unserem Michelsberg!
Hell und rein klingt aus goldenen Jugendjahren die Sage vom schlafenden Dornröschen in unser Alter herein. Sie ließ unser Kinderauge lebhafter erglühen und wenn wir sie im Schnee des Alters unserer Jugend erzählen, so wird unsere Rede wärmer und unser Herz klopft lebhafter.
Und warum auch nicht?
Im rosigen Hauche voller Jugendfrische zu prangen und inmitten eines kleinen Paradieses zu wohnen, aber im starren Schlafe liegen zu müssen, das ist ein tragisches Geschick und freudig und freier atmen wir auf, wenn der mutige Ritter kommt, sich einen Weg durch das dichte Dornengestrüpp bahnt, das schlafende Dornröschen zu neuem Leben wachküßt, es in den bisher verödeten Räumen wieder lebendig wird und eine fröhliche Hochzeit und eine glückliche Ehe folgen.
Auch unser Michelsberg war ein schlafendes Dornröschen. Er hat eine wunderbare Umgebung. Ein Kranz prächtiger Berge schaut zu ihm herab, der trotzige Hohenstein, das Wahrzeichen unserer Gegend, sendet Grüße, liebliche, mit blühenden Orten geschmückte Thäler erfreuen das Auge und an seinem Fuße liegt das gastliche Hersbruck, hingeschmiegt an den Berg, wie das Kind an die sorgende und liebende Brust der Mutter.
Aber hier oben selbst war es recht unwirthlich und je mehr sich der Wanderer dieser Spitze näherte, desto öder wurde es und eilenden Fußes trat er den Rückweg an. So war es viele Generationen hindurch und wenn auch manche Versuche gemacht wurden, Dornröschen aus dem traumhaften Schlafe aufzuwecken, so ist dies doch keinem der vielen Tapferen gelungen. Einer davon ist hart bis an die Pforten gekommen, diese selbst blieben ihm aber verschlossen. Drunten im Thale schläft er den ewigen Schlaf. Dieser Stein dort am Wege erinnert noch jetzt an ihn, Fischer ist sein Name.
Heute aber ist Dornröschen wieder erwacht. Nach mehr denn 20jähriger Arbeit ist es endlich dem Verschönerungsverein gelungen, alle es einschließenden Schranken wegzuräumen; in jugendlicher Frische und Pracht strahlt wieder unser Michelsberg und in den ehemals so verödeten Räumen herrscht wieder geschäftiges Leben und fröhliches Treiben.
Aber auch diesmal wäre der Verein allein zu schwach gewesen, den aufgenommenen Kampf siegreich zu Ende zu führen, wenn er sich nicht der tapfersten, hingebensten, ausdauerndsten und opferwilligsten Gefolgschaft zu erfreuen gehabt hätte. Da stand im Vordertreffen unsere alte Stadt Haderichsbrucka selbst und ihr treu zur Seite ein mutiger Recke ohne Furcht und Tadel, thatkräftig und keine Schwierigkeiten scheuend. Soll ich seinen Namen nennen und sagen, daß er Gebhardt heißt?
Mit sicherer Hand durchbrach er das überwucherte Dorngestrüpp und unter seiner Faust zerbrach das alte Gemäuer und zerfiel in Schutt. Und dahinter stund noch ein zahlreiches Gefolge treugesinnter, opferfähiger Männer und Frauen von hier und auswärts, die Muth zusprachen, die Flamme der Begeisterung schürten und Geld aufbrachten, denn dieses war vor allen Dingen nöthig.
So ist denn Alles neu erstanden, einladend für Jedermann und im hellstrahlendsten Gewande präsentiert sich das wiedererstandene Dornröschen.
Heute ist Vermählungsfeier. Schirmender und schützender Bräutigam und Gatte ist der edle Bürgersinn, der die von den Vätern überkommenen Güter zu hüten und für sie Opfer zu bringen weiß und sich wieder einmal glänzend bewährt hat. Hält er auch fernerhin an, woran ich keinen Augenblick zweifle, so ist mir um Dornröschens Zukunft nicht bange. Es wird sich zwischen den beiden Verbundenen ein durchaus hermonisches Leben entwickeln, zumal dann, wenn der Haushalt in einfacher, streng solider Weise geführt wird und man den kommenden Gästen mit dem Grade von Gastfreundlichkeit und Biederkeit entgegenkommt, die heute noch als ein Erbtheil unsere Väter geschätzt werden.
Alte Sitte ist es, daß bei einem Feste, wie wir es heute feiern, seitens der Gäste auch Geschenke und gute Wünsche dargebracht werden und von derselben wollen auch wir keine Ausnahme machen.
Herr Gebhardt schenkt die an das Haus gebaute Halle, die zwar noch der Ausschmückung bedarf, aber doch in seinem Namen hier öffentlich der Stadt übergeben wird.
Der Verschönerungsverein hat das durch die Mittel seiner Freunde und Gönner geschaffene altdeutsche Zimmer bereits übergeben und erneuert heute die gemachte Schenkung,
Wir Alle aber schenken dem Michelsberg unsere Freundschaft und geloben, daß wir auch in kommenden Tagen treu zu ihm stehen werden. Allen, die dazu beigetragen haben, hier oben Wandel und neues Leben zuschaffen, sage ich herzlichen Dank. Mögen Diejenigen, die vom Thale heraufkommen, um sich hier oben an den Schönheiten der weiten Gottesnatur zu ergötzen, allzeit hinabschauen auf reichgesegnete Fluren, auf glückliche Bewohner in Dorf und Stadt und mit Befriedigung und Frieden in der Brust von dannen ziehen.
Edler, opferfähiger Bürgersinn hat Alles, was sich hier geändert, erstehen lassen. Hoffen wir , daß er seiner alten Liebe auch weiter treu bleibt, treu bleibt zum Segen unserer Stadt.
Und auf diesen edlen Bürgersinn und eine glückliche Zukunft des Berges trinke ich und ersuche ich Sie, einzustimmen in den Ruf: Der opferfreudige Bürgersinn und unser Michelsberg, sie leben Hoch! Hoch! Hoch!“
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